Jakob Lorber

Fehler und Widersprüche in der Neuoffenbarung

(Auszug aus dem Buch "Neptun heißt bei uns Miron")

Neptun heißt bei uns Miron
Über die Neuoffenbarung

Angesichts gewisser Mängel und Widersprüche findet sich die Auffassung, die Neuoffenbarung bestünde teils aus dem fehlerfreien Wort Gottes und teils aus dem Eigenen des Schreibers. Dieser Auffassung wird von der Neuoffenbarung entschieden widersprochen. Jakob Lorber habe sich allzeit benehmen und schreiben müssen, wie es ihm vom Herrn geboten war. Solches tat er nicht aus einem Zwang, sondern aus reiner Hingabe, weil er selbst es so wollte. Man soll ihn nicht für so einen argen Sünder halten, der sich Eigenmächtigkeiten im Namen des Herrn erlaubt. Die Neuoffenbarung sei ganz rein. Gott würde nicht mit Propheten sprechen, die sich Eigenmächtigkeiten erlauben. Die Idee der halbseidenen Offenbarungen entstammt dem Spiritismus und hat leider auch bei führenden Freunden der durch Jakob Lorber vermittelten Neuoffenbarung Aufnahme gefunden. Spiritistische Werke, die nicht wirklich von Gott gegeben sind, sondern von einem Geist, der sich als höheres Wesen ausgibt, um seinen Worten Gewicht zu verleihen, bestehen aus teils wahren und falschen Angaben.

Dann gibt es die entlarvende Vorstellung, der Satan würde einem Propheten Gottes verkehrte Dinge einflüstern, was auch bei Jakob Lorber geschehen sei. Diese bedenkliche Idee dürfte im Wesentlichen dem Islam entsprungen sein. Mohammed erklärte, jene an ihn ergangene Kundgaben, die sich als falsch oder unpraktisch erwiesen, seien ihm vom Satan eingeflüstert worden. Was Widersprüche beträfe, würde immer das zuletzt Gesagte im Koran gelten. Solche Aussagen, die kennzeichnend sind für falsche Propheten, finden sich nicht in der Neuoffenbarung. Dort wird ausdrücklich gesagt, Gott habe noch nie mit dem Satan zusammengearbeitet, Er würde sich keinen Propheten mit dem Teufel teilen. Ein Prophet sagt „Gott sagt“ und nicht „Gott sagt oder auch nicht“. Er übernimmt Verantwortung für die Vermittlung des an ihn ergangenen Wort Gottes. Gott spricht Propheten auf eine Weise an, die über alle Zweifel erhaben ist.

Gott und Sein Prophet bilden eine Einheit. Wie absurd ist die Frage, oder vielmehr der Zweifel, wenn nicht schon gleich der kleingeistige Vorwurf, Jakob Lorber habe womöglich etwas aus sich hinein verwoben in die Neuoffenbarung. Man möchte antworten: Soll er doch! Solange er von Gott zu diesem Amt berufen war, hat Gott sicher alles nach Seiner Vorstellung gelenkt. Ein Prophet gleicht einem Beamten: Natürlich fließt auch das persönliche Wesen eines Staatsbediensteten bei einem behördlichen Brief mit ein. Solange sich der Beamte an das hält, was vom Staat verordnet wurde, ist daran überhaupt nichts falsch, selbst wenn der Staatsdiener mit der deutschen Sprache auf Kriegsfuß steht. Daher erklärt die Neuoffenbarung offensichtliche Mängel und Widersprüche allgemein als Zulassung des Herrn, als Heilmittel für jene, die das Werk dem Verstand nach lesen, anstatt es vom Herzen in den Geist lebendig aufzunehmen. Die Leser werden dadurch angeregt, emsiger und lebendiger im Gegebenen zu suchen.

Zudem handelt es sich um geistige Werke, die Gleichnisse und Entsprechungen verwenden, welche im wortwörtlichen Sinn nicht zutreffen müssen. Wenn Jesus verkündet, man solle Sein Fleisch essen und Sein Blut trinken, propagiert er damit durchaus nicht den Kannibalismus. Der Einfluss Gottes erstreckt sich im Wort Gottes immer vom himmlischen Sinn des Wortes bis zum Buchstabensinn – selbst wenn letzterer völlig absurd erscheint. Man denke an die Propheten der Bibel. Was schreibt denn beispielsweise Johannes in seiner Offenbarung für seltsame Dinge! Wie wunderlich muss einer sein, um zu fragen, ob Johannes da nicht womöglich aus sich etwas eingewebt habe in seine Schriften!

Wilderness
Allein in der naturbelassenen Wildnis (Ciucaș Peak, Romania)

Auch die Systematik der Neuoffenbarung findet sich in der Kritik. Alles sei durcheinander wie Kraut und Rüben. Darauf erwidert die Neuoffenbarung, sie folge der Ordnung Gottes, die ganz anders sei, als die Ordnung der Menschen. Gott lässt in der freien Natur alles anscheinend wild durcheinander wachsen, während der Mensch geordnete Felder anlegt. Und genauso verhält es sich mit der Neuoffenbarung. Es geht auch um Inspiration. Wen inspiriert schon ein Acker, außer vielleicht den Bauern, der sich einen guten Ertrag erhofft? Wie langweilig und öde sind die geordneten Reihen eines Feldes gegen die wilde Schönheit der unberührten Natur! Die Neuoffenbarung ist ein Kunstwerk und kein Buchhaltungsjournal. Sie beinhaltet eine geistige Dimension, die sich nicht so leicht greifen lässt, dabei aber wichtiger als alles andere ist, ein Gottesruf, der geistiges Leben birgt. Der Herr marschiert nicht im gleichförmigen Stechschritt mit den Seinen, nein, Er tanzt vielmehr mit ihnen. Obwohl die Neuoffenbarung oberflächlich betrachtet relativ verständlich daherkommt, geht sie die Dinge überaus differenziert an, betrachtet vieles von verschiedenen Standpunkten aus. Dies erschließt sich aber erst nach umfangreicherer Lektüre, wenn der Leser die Aussagen vergleicht und miteinander abwägt. Mit Schwarz-Weiß-Denken kommt man bei der Neuoffenbarung nicht weit. Wer etwas finden will, der muss sich zuerst anstrengen, suchen und ordnen und vor allem selbst darüber nachdenken – und dadurch wird er geistig lebendig. Das Ziel der Neuoffenbarung ist primär Transformation, die Vergeistigung des Menschen, und nur sekundär Information, bloße Wissensvermittlung. Es geht um die Lebendigwerdung des Geistes. Diese wird durch Tätigkeit erreicht, und nicht, indem alles sozusagen auf dem Silbertablett serviert wird. Ein Läufer wird durch das Laufen erfolgreich, und nicht, indem man ihn zum Ziel fährt.

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