Jakob Lorber

Die Neuoffenbarung

Manuskriptseite (Großes Evangelium Johannes)
Manuskriptseite (Großes Evangelium Johannes)

Das Lorberwerk wird auch als die Neuoffenbarung bezeichnet, weil es das wichtigste und meistgelesene Werk der als „Neuoffenbarung“ bezeichneten Schriften ist und sich selbst auch „neue Offenbarung“ nennt. Mit „neuer Offenbarung“ meint das Lorberwerk aber grundsätzlich die Wiederoffenbarung der ursprünglichen und vollständigen Gottes-, Erlösungs- und Heilslehre. Neu ist im gewissen Sinn nur die ausführliche und vertiefte Beschreibung jener Dinge, die in der Bibel lediglich in Kurzform aufscheinen, oder was nur als Hinweis auftaucht, weil es Jesus zu Seiner Zeit mangels Reife der Menschen noch nicht lehren konnte und es daher dem Heiligen Geist vorbehalten blieb. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Menschheitsgeschichte von Adam bis Moses und das Leben nach dem Tod. Tatsächlich neu sind Kundgaben zu Umständen und Personen aus nachbiblischer Zeit. Aber auch diese Bereiche sind stets im Geist der Bibel gegeben. Der wesentlichste Unterschied zur Bibel besteht darin, dass die Neuoffenbarung alles erklärt. Jesus fragt in der Neuoffenbarung nicht „glaubst du mir?“ sondern „verstehst du mich nun?“ In ihr wird verwirklicht, was schon in Mk 4.11 verkündet wird, nämlich dass es den Jüngern Jesu gegeben sei, die Geheimnisse des Himmels zu wissen. Verstand und Vernunft werden integriert, allerdings in vergeistigter Form, im Verbund mit dem Evangelium, der Lehre Christi. Der Glaube wird auf die tätige Liebe gegründet gesehen, die ihr eigenes Licht hat, das imstande ist, Gott zu erkennen und zu verstehen, was dem bloßen Gehirnverstand, der Geistiges nicht fassen kann, unmöglich ist. Abgelehnt und verworfen wird die Vorstellung Luthers, der Glaube dürfe nicht vernünftig sein, sondern sei „der finstere Weg, da Finsternis ist unter seinen Füßen“, wodurch er Gott in die Irrationalität verbannte, das Diesseits dem unerleuchteten Verstand überließ, und so der Aufklärung den Weg bereitete. Während sich die Bibel an unaufgeklärte Menschen richtet, die in einer Welt voller Aberglauben, Magie und Wunder lebten, wendet sich die Neuoffenbarung der rationalistisch geprägten Menschheit zu. Sie versteht sich als Kommentar, Auslegung und Weiterführung der Bibel, des Rätsels Lösung, vielleicht sogar als Drittes Testament. Denn obwohl sich die Neuoffenbarung am laufenden Band auf die Bibel bezieht und daraus zitiert, korrigiert sie diese auch manchmal, vergleicht die Bibel dem Buchstabensinn nach mit dem zerstörten Jerusalem und nennt die Evangelien zum großen Entsetzen jener sogenannten Christen, welche die Bibel, als Buch, zu ihrem Götzen gemacht haben (oder vielmehr eine finstere Interpretation derselben), ein „zum größten Teil heilloses Machwerk“, das zu vertilgen sei. Sie befindet sich in einem vergleichbaren Konflikt wie das Neue Testament zum Alten Testament. Das Alte muss Platz machen für das Neue, wird aber nicht verstoßen, oder vertilgt im wortwörtlichen Sinn, sondern in destillierter vergeistigter Form integriert. Kinder werden erst mit einem gewissen Alter verständig und die Neuoffenbarung richtet sich an diese etwas älteren Kinder. Ihnen können die Eltern manche Dinge schon ein Stück weit erklären, damit sie verstehen und nicht nur blind gehorchen müssen. So können sie sich weiter entwickeln und bleiben nicht ewig Babys.

Handschrift Jakob Lorbers
Zum Vergleich: Handschrift Jakob Lorbers (Brief)

Der katholische Theologe Robert Ernst hat die Neuoffenbarung als ein Monumentalwerk bezeichnet, das über das Fassungs- und Schaffensvermögen des genialsten Philosophen, Theologen und Schriftstellers hinausgeht. Nach unvoreingenommener wissenschaftlicher Untersuchung ist sie übersinnlicher Natur. Sie beruht auf den Grundsätzen des reinsten Christentums, auf der Liebe zu Gott und den Menschen. Es geht nicht um weltliche Bildung, sondern die geistigen Sinne werden erweckt, geschult und angesprochen. Obwohl sich die Neuoffenbarung stets an der Bibel orientiert, auch ähnlich bunt und lebendig ist, lässt sie sich – wie auch die Bibel – nicht unter „exklusiv christlich“ unterbringen, weil sie sich nicht nur an Christen, sondern an alle Menschen der Welt richtet. Sie ist weder katholisch, noch evangelisch, noch sonst einer Konfession zuzuordnen, auch nicht der Gnosis. „Überkonfessionell“, „universal“ sind Begriffe, die sie noch am treffendsten beschreiben. Gott, der in der Neuoffenbarung in erster Person spricht, stellt sich nicht als Gott irgendeiner Kirche oder Religion vor, sondern als der Gott, der eine und alleinige, wahre Gott aller Menschen, menschgeworden, gekreuzigt und vom Tod auferstanden in Jesus Christus. Dabei orientiert sich das Werk aber nicht an der Zeit von vor 2000 Jahren, sondern an den Umständen des 19. Jahrhunderts und am Propheten, durch dessen Geist sie gegeben wurde. Sie gleicht einer nicht kultivierten, wilden Schönheit, frei und ungezügelt, Wunder über Wunder bergend, wie eine Rose, die ihre Freunde und Liebhaber mit Nektar belebt und ihre Feinde und Verächter mit Dornen abwehrt.

Der Stil der Neuoffenbarung ist geprägt von der weitschweifigen Sprache des 19. Jahrhunderts und überaus variabel. Die deutsche Sprache wird auf kreative Weise verwendet, neue Wörter werden geschaffen, bestehende um- oder ausgebaut. Allgemein einfach und gefällig gehalten, selbst in den abstraktesten Teilen klar, schwingt sich die Neuoffenbarung zu höchster Erhabenheit auf, scheut aber auch nicht die Vulgarität. Von der Argumentationsweise her gibt es Ähnlichkeiten mit den Schriften Emanuel Swedenborgs, dem Aufbau und der Erzählweise nach gleicht die Neuoffenbarung den altindischen Puranas. Das Werk befindet sich ganz und gar im johanneischen Geist, der die Göttlichkeit Jesu betont und auf Entsagung und hohe Vergeistigung ausgerichtet ist. Gleich einem Adler schwebt die Neuoffenbarung über den Niedrigkeiten und Nichtigkeiten der Welt und beurteilt sie mit überaus scharfem Blick. Die Göttlichkeit Jesu wird in dieser mystischen Theologie so stark betont, dass man Lorberkritikern die Feststellung, Jesus werde als Supermann präsentiert, nicht völlig abschlagen kann. Jesus feiert in der Neuoffenbarung Hochzeit mit Seiner Kirche, erscheint als siegreicher, vom Tod auferstandener, machtvoller Herr, Gott und Vater. Er ist überaus dienstfertig und hält Seine Herrlichkeiten nicht für Sich zurück, sondern lässt sie Seinen Kindern im Übermaß zukommen. Das kann man mögen, oder auch nicht. Ein verfälschtes Jesusbild ist es nicht, sondern nur eines, wie es Jesus, als der Vater, Seinen braven Kindern schildert. Welcher Vater würde seine guten Kinder mit detaillierten Schilderungen vom Leiden und Schrecken der Kreuzigung belasten? Solche Dinge gelten den Hartherzigen als Weckruf, damit sie verstehen, wie weit der Herr ging, um auch sie noch zu retten. Der leidende und gekreuzigte Jesus, wie man ihn in römisch-katholischen Privatoffenbarungen antrifft, wobei die ausführlichen Schilderungen auch nicht von Jesus Selbst vermittelt wurden, wird in der Neuoffenbarung zwar beschrieben, besprochen und erklärt, das Große Evangelium Johannes aber bleibt unvollendet und bricht kurz vor der Passion ab. Man kann sagen, es blieb unvollendet, wie auch das Leben des Menschen unvollendet bleibt (abgesehen von seltenen Ausnahmen) und erst im Jenseits sein Finale findet – und der Anfang von etwas ganz Neuem. Das schwere Leiden Jesu im Garten Gethsemane, von dem übrigens nur die synoptischen Evangelisten Matthäus, Lukas und Markus berichten, nicht aber Johannes, liegt nicht im Fokus der Neuoffenbarung. Das Menschliche an Jesus wird zwar erwähnt und beschrieben – Er ist nicht nur scheinbar Mensch geworden, wie es früher von Gnostikern und Manichäern verbreitet worden ist; aber Jesus spricht in der Neuoffenbarung eben nicht als der Jesus, der Sein aus dem Judentum angenommenes Menschliches noch überwinden muss, was durch die Kreuzigung geschehen ist, sondern als der wiederauferstandene und verherrlichte Christus, als Jesus-Jehova-Zebaoth, Retter, Erlöser, eins mit Gott Vater. Daher kann die Kreuzigung Jesu nicht eine zentrale Stelle in der Neuoffenbarung einnehmen. Würde man deshalb die Neuoffenbarung der Gnostik zuordnen, dann müsste man auch Johannes, den Lieblingsapostel, den Verfasser des mystischen Evangeliums, wie das Johannes-Evangelium auch genannt wird, einen Gnostiker nennen.

Die Neuoffenbarung bietet bedingt Versöhnung von Wissenschaft und Religion, die sich im Verlauf der Aufklärung entzweit hatten. Gott verschwand aus der Welt und mit Ihm der Sinn. Der Mensch, dessen Haare auf dem Kopf doch eigentlich gezählt sein sollten, wurde zu einem nichtigen Wesen in einer profanen Welt degradiert. Die Neuoffenbarung vermittelt dieser verunglückten Welt Heilung und Einswerdung, ein universales einheitliches Weltbild in nachaufklärerischer Zeit, in dem alles im weiten Universum von Leben und Sinn erfüllt ist und eine tiefe von Gott ausgehende und auf Ihn verweisende Bedeutung hat. Sie schenkt ein Gefühl von Geborgenheit und Lebenshelle, schafft eine kritische Distanz zu den Hypothesen und Theorien der Naturwissenschaft, bietet Alternativen an, beflügelt die wissenschaftliche Fantasie und weitet so den Horizont. In der Neuoffenbarung ist wieder Gott der Herr, Jesus-Jehova-Zebaoth, groß und stark, dabei aber menschlich, brüderlich und zugänglich. Sie vermag eine lebendige Beziehung zu Jesus zu stiften, Liebe und Zuneigung zu erwecken, und so das Leben zu verändern. Sozusagen als Bonus bietet die Neuoffenbarung eine lebendige und wirkmächtige Jenseitsvorstellung an, die auf Emanuel Swedenborg, den Fürsten unter den Jenseitskundigen, aufbaut, wobei aber eine größere Barmherzigkeit Gottes zu Tage tritt. Sie ermuntert zur Selbsterkenntnis und zum Offenbarungseid darüber, was einen in diesem Leben wirklich trägt.

Neues Jerusalem
Neues Jerusalem

Die Neuoffenbarung ist für eine Zeit gegeben, in der die Kirchenorganisationen, korrupt und morsch geworden, ihren Einfluss verlieren und die offene oder kaschierte Gottlosigkeit zur verbreitetsten Überzeugung eines dem Materialismus ergebenen Volkes geworden ist. So gesehen könnte man sie als „Survival-Offenbarung“ bezeichnen, als Arche Noah für die letzten Getreuen. In weiterer Folge bezieht sich die Neuoffenbarung auf eine Zeit, die wir uns heute noch so wenig vorstellen können, wie die Jünger Jesu die heutige Zeit. Nach der Neuoffenbarung erfährt die Menschheit etwa alle zweitausend Jahre einen bedeutenden geistigen Entwicklungsschub, dem unweigerlich der Zusammenbruch oder die Reform des bisher Bestehenden vorangehen muss. Der vorherige Entwicklungsschub war das Erscheinen und Wirken Jesu, die Neuoffenbarung selbst ist Teil des aktuellen Entwicklungsschubes. Was die Menschheit die nächsten zweitausend Jahre erwartet, kann man aus der Neuoffenbarung nur erahnen. Die materielle Not und soziale Ungerechtigkeit könnte von der Erde weitgehend verschwinden. Was die Religion betrifft, könnte es nur mehr einen Hirten und eine Herde geben, Jesus-Jehova-Zebaoth und die Seinen, demnach keine Religionskriege mehr. Das neue Jerusalem, die neue Welt, die neue Erde. Doch davor drohen noch nie dagewesene Katastrophen, die der Mensch, oder vielmehr der Unmensch, selbst über sich bringt. Was geschehen würde, wenn die Kirchen die Neuoffenbarung annehmen würden – was sie jederzeit tun könnten, wenn sie innerlich dazu bereit sind – ist nicht allzu schwer abzuschätzen: Sie würden sich zu einer Kirche einen und wieder das werden, was die Kirche ursprünglich hatte sein sollen, nämlich die selbstlos dienende, aber wahrhaft königliche Lebenslehrerin auf der Erde, die auf jede Frage des Lebens Antwort geben kann, die keine Glaubenssätze mehr von den Menschen zu fordern braucht, sondern den ungeheuren Wissensschatz der Neuoffenbarung übermittelt. Es käme wieder Kraft und Herrlichkeit und echte Erlösungskraft in ihr Wesen hinein, sie wäre eine geistig reiche Kirche, ganz nach dem Sinn des Herrn, ein wahrhaftiges Reich des Geistes, ein wahres Friedensinstrument auf Erden.

Die Neuoffenbarung gibt sich nur wenig verhüllt als Wiederkunft Christi in geistiger Form, im Wort, zu erkennen. Diese Wiederkunft wird in Mat 24.3; Mat 24.30; Mat 26.64; Mark 13.26-27; Luk 21.27; Apg 1.11 und überall in der Offenbarung des Johannes angekündigt und in Bildnissen beschrieben. Sie bezieht sich auch auf das Wirken von Emanuel Swedenborg und anderer wahrhaftiger Seher, Weiser und neu erweckter Propheten. Dabei bleibt Widerstand nicht aus: In Seiner Wiederkunft würden Hunde und Katzen den Herrn eher erkennen als eine herrschen wollende Priesterschaft (Himmelsgaben 1.410125.6), insoweit also eine Wiederholung der Geschichte. Nur diesmal wird es nicht mit der Kreuzigung des Herrn enden, denn Er kommt nicht mehr als Bettler arm und schwach auf die Erde, sondern als starker Held und Sein Gericht mit Ihm: „Wer Mich ergreifen wird mit Liebe, der wird leben ewig; wer aber auch nur einen Finger gegen Mich kehren wird, der soll gekreuzigt werden im Feuer Meines Grimmes!“ (Himmelsgaben 1.400813.7) Bei jenen Unbelehrbaren, die auch nach zweitausend Jahren immer noch den Herrn hinrichten wollen, wird der Zorn Gottes die weitere Behandlung übernehmen. Wobei allerdings auch dieser in Wirklichkeit mehr Liebe ist, als die größte Liebe, zu der ein Mensch fähig ist (Jugend Jesu 204.7).

Für die Jahre um 1840, das Jahr in dem das Diktat der Neuoffenbarung an Jakob Lorber begann, wurde mehrfach die Wiederkunft des Herrn erwartet. Auch aus Bibelstellen lässt sich dieses Jahr errechnen. Hildegard von Bingen, die große deutsche Prophetin des 12. Jahrhunderts, berichtet in ihrem Werk Liber divinorum operum (Buch der Gotteswerke) von einem neuen Evangelium Johannes, was sich auf das Große Evangelium Johannes beziehen könnte, da nach ihr kein anderes, neues Evangelium Johannes offenbar geworden ist, als das Jakob Lorbers. Sie schreibt: „Die erwähnte Schau (Offenbarung) lehrte mich die Worte und den Inhalt dieses Evangeliums, das vom Anfang der Werke Gottes handelt, und gab mir das Verständnis hierzu. Und mir wurde einsichtig, dass diese Auslegung zugleich der Beginn einer anderen Schrift sein müsste, die noch nicht offenbar geworden war. In ihr sollten viele Fragen der geheimnisvollen Schöpfungsordnung Gottes untersucht werden.“

Wer ist der Autor?

Der Autor der Neuoffenbarung ist vordergründig natürlich Jakob Lorber, auch wenn er angibt, das Werk sei ihm durch seine innere Stimme in die Feder diktiert worden. Es ist nur vernünftig, angesichts der unzweifelhaften Existenz von falschen Propheten und allerlei Missbrauch der Religion, Charakter und Lebensführung des Schreibers genau zu überprüfen. Da wir dies aus natürlichen Gründen nicht persönlich tun können, bleibt uns das Zeugnis von vertrauenswürdigen Zeitgenossen Jakob Lorbers. Im Vergleich zu anderen als Propheten wirkenden Personen findet sich relativ viel Material, wobei Jakob Lorber die besten Zeugnisse von intellektuell gebildeten, kritisch denkenden Zeitgenossen erhielt. Wer ihn aus langjährigem Umgang persönlich kannte, oder ihn aufsuchte und kritisch überprüfte, kam zu dem Schluss, dass es sich bei ihm um eine aufrichtige, gutherzige, sensitive und geistig gesunde Person handle, der keine Betrügerei oder sonstige Bosheit zuzumuten war. Er betrieb kein Geschäft mit seinen Schriften, womit auch eine finanzielle Motivation ausscheidet. Er lebte, insoweit er sich finanziell nicht selbst erhalten konnte, von freiwilligen Spenden. Als Mensch blieb Jakob Lorber zugänglich und hatte es nicht nötig, sich zu verstecken; es gab durchaus nichts zu verbergen, was natürlich der Fall gewesen wäre, wenn er ein Betrüger oder sonst übel gesinnter Mensch gewesen wäre. Verborgen gehalten werden mussten nur die Schriften aufgrund der politischen Situation im Staat. Es sollte einem unvoreingenommen urteilenden Menschen nicht allzu schwerfallen, Jakob Lorber als vertrauenswürdig zu akzeptieren. Natürlich wer nicht an Gott glaubt, oder Gott die Fähigkeit abspricht, jemandem zu diktieren, dem bleibt nichts anderes übrig, als Jakob Lorber entgegen aller Zeugnisse als Betrüger oder Geisteskranken zu betrachten. Damit wird aber keine schlüssige Beurteilung Jakob Lorbers geliefert, sondern lediglich ein Zeugnis abgelegt erstens über ein Weltbild, in dem jemand wie Jakob Lorber keinen Platz findet, und zweitens über die Eigenmächtigkeit des Richters, der sich einfach über alle ernstzunehmenden Zeugen hinwegsetzt.

Wäre Jakob Lorber geisteskrank oder ein Betrüger gewesen, dann wäre dies seinen gebildeten Freunden unweigerlich aufgefallen. Allein schon deswegen ist diese Annahme nicht annehmbar. Zudem übersteigt der Inhalt der Neuoffenbarung bei weitem den Bildungshorizont des Schreibers. Jakob Lorber war zwar intelligent und in höheren geistigen Dingen nicht ungebildet, beherrschte etwas Latein und hatte eine Ausbildung als Hauptschullehrer absolviert, von einer höheren wissenschaftlichen Bildung aber war bei ihm keine Rede. Die Neuoffenbarung ist ein Werk, das Generationen von Forschern beschäftigt. Sie ist theologisch und philosophisch in sich konsistent, beinhaltet ein grandioses Weltbild, das weit über die Vorstellungen des 19. Jahrhunderts hinausgeht, beschreibt eine Vielzahl von Personen und erklärt Dinge aus allen möglichen Wissensgebieten. Um ein Werk wie die Neuoffenbarung zu verfassen, hätte Jakob Lorber weit mehr als ein Leonardo da Vinci des 19. Jahrhunderts sein müssen. Tatsächlich aber war er ein einfacher Mensch, der nur in der Musik begabt war. Er verfügte nicht einmal über eine Bibliothek mit wissenschaftlichen und hochgeistigen Schriften. Nach seiner Berufung las er, außer in der Bibel, so gut wie gar nicht mehr. Viel gereist war er auch nicht. Dabei beinhaltet die Neuoffenbarung aber detaillierte Angaben über Geschichte und Geographie von allen möglichen Orten der Welt. Auch die Art und Weise der Niederschrift der in einem Zug geschriebenen Neuoffenbarung weist überdeutlich auf ein Diktat hin. Zudem wurden Werke oft parallel geoffenbart; Jakob Lorber hätte also auch noch an mehreren Werken zugleich arbeiten müssen. Kurzum: Jakob Lorber als Autor und nicht nur als Schreiber der Neuoffenbarung anzunehmen, ist schlicht unwissenschaftlich.

Was sich mit einer gewissen Berechtigung in Frage stellen lässt, ist die Annahme und Aussage Jakob Lorbers, die Neuoffenbarung würde ihm von Gott oder Jesus Christus, bzw. einem Engel Gottes diktiert. Dass sich Jakob Lorber diese Stimme nur eingebildet hat, also beispielsweise an Schizophrenie litt, ist nicht annehmbar, weil kein Geisteskranker in der Lage ist, ein in sich schlüssiges Werk wie die Neuoffenbarung zuwege zu bringen. Der evangelische Theologe Hellmut von Schweinitz schrieb dazu: „Das Phänomen Lorber mit der Deutung der Tiefenpsychologie abzutun, ist keine überzeugende Erklärung. Denn was in seinen Schriften an die Oberfläche des Bewusstseins tritt, sind Erkenntnisse, die aus der Sphäre seines beschränkten menschlichen Wissens nicht stammen können. Zu ihrer Aneignung würde ein Menschenleben nicht ausreichen und alle schöpferische Phantasie nicht genügen ... Genausowenig kann das Lebenswerk Lorbers durch philosophische oder theologische Spekulation erklärt werden. Es bleibt bei ihm wie bei allen prophetischen Phänomenen ein unerklärbarer Rest.“

Es gab also eine andere Intelligenz, einen Geist, der mit Jakob Lorber sprach. Wir haben zwei Möglichkeiten, Art und Wesen des Geistes Jakob Lorbers zu beurteilen: Wie verfügte der Geist über sein Werkzeug und wie sind seine Aussagen zu bewerten? Zu Ersterem lässt sich sagen, dass Jakob Lorber gut und fair behandelt wurde und den, der da zu ihm sprach, über alles liebte. Seine eigentlich einzige Beschwerde bestand darin, in existentiellen Dingen zu knapp gehalten zu werden. Ein Leben zu führen wie die Lilien des Feldes und die Vögel des Himmels, hat auch schon den Aposteln Jesu nicht gerade behagt. Auch die Aussagen der Neuoffenbarung bezeugen die Güte und Freundlichkeit des Autors, der sich durchgehend als Jesus Christus und Gott Vater zu erkennen gibt, und gemäß dem Evangelium in der Hauptsache zu Gottes- und Nächstenliebe auffordert. Würde eine böse Intelligenz mit Jakob Lorber gesprochen haben, dann hätte er diese angesichts seiner guten Lebensführung sicher nicht geliebt, sondern bekämpft. Auch würde ein böser Geist nicht zur Gottes- und Nächstenliebe aufrufen. Die gewissen Anwürfe, der Satan oder sonst ein Teufel hätte mit Jakob Lorber gesprochen, entbehren jeder Sachlichkeit, selbst wenn man annimmt, der Satan hätte sich als Gott oder Engel verkleidet, um Jakob Lorber und seine Freunde in die Irre zu führen. Durch die Neuoffenbarung haben schon viele Menschen zum Glauben, zu Jesus und zu Gott gefunden. Wenn solches das Wirken des Teufels ist, dann höchstens in den Augen von ausgemachten Gottesfeinden.

Im Buch Robert Blum heißt es, die Neuoffenbarung würde Jakob Lorber durch einen Engel diktiert. Es ist durchaus gängig, dass Sich Gott durch einen Engel in erster Person offenbart. Schon das Alte Testament liefert darüber mehrfach Zeugnisse und auch die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament ist von einem Engel als Wort Gottes gegeben. Welcher Engel es war, der zu Jakob Lorber sprach, lässt sich nur vermuten. Wahrscheinlich war der Übermittler der Neuoffenbarung der Erzengel Raphael. Dieser kommt in den späteren Werken der Neuoffenbarung auffallend oft vor, außerdem ist die Heilung der Seele durch Erweckung des göttlichen Geistes in ihr ein bestimmendes Thema der Kundgaben. Raphael ist nämlich als der Engel der Heilung bekannt, sein Name bedeutet „Gott heilt (die Seele)“. Nun hat unser Engel die Neuoffenbarung zwar durchgegeben, dafür aber teils schon vorhandene, demnach himmlische Bücher benutzt, denn etliche Schriften der Neuoffenbarung sind Wiederoffenbarungen. Dass es im Himmel auch Schriften gibt, bestätigt die Bibel in Hesekiel 2.9 und Offenbarung 5.1. Wir können also auch Raphael nur bedingt als Autor der Neuoffenbarung ansehen. Treffender ist die Feststellung, welche die Neuoffenbarung selbst trifft, nämlich dass sie von Jesus Christus gegeben wurde, wobei man auch sagen könnte, vom Himmel. Trotzdem bleibt es natürlich eine Glaubensfrage, ob nun wirklich Gott oder Jesus in Jakob Lorber gesprochen hat. Und das ist auch im Sinne der Neuoffenbarung, die niemanden zwingen will, sie anzunehmen. Sie liefert viele Hinweise, die durchaus deutlich sind, aber keinen zwingenden Beweis. Die Freiheit des Menschen bleibt vollständig erhalten.

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